Als der bedeutende griechische Astronom Hipparch etwa 130 v.Chr. die astronomische Position des Frühlingspunktes untersuchte, stellte er fest, dass sich diese südlich des Sterns „Gamma Arietis“ im Sternbild Widder befand. Von der Erde aus gesehen stand die Sonne damals am Frühlingsbeginn also im Sternbild Widder. Darum zählte der Forscher – wie viele seiner Kollegen – das Jahr und den Tierkreis von diesem Frühlingspunkt aus.
Doch die Erde ist nicht kugelförmig, sondern an den Polen etwas abgeflacht. Deshalb ändert sich die Ausrichtung ihrer Achse bei der Eigendrehung etwas: Die Erde „kreiselt – und mit ihr ihre Nord-Südachse. Sie rotiert in der Verlängerung immer rund um das Zentrum der Milchstraße herum. Dieses Phänomen wird in der Astronomie „Präzession“ genannt. Der babylonische Astrologe Kidinnu hatte es schon im vierten Jahrhundert v.Chr. beschrieben; auch Hipparch kannte es natürlich und ermittelte seinen rechnerischen Wert: ca. 1° in hundert Jahren.
Seitdem ist der Frühlingspunkt um ca. 39° (das entspricht etwa einem Sternbild) weitergewandert und liegt heute im benachbarten Sternbild Fische; um das Jahr 2442 bewegt er sich in den Wassermann.
Für die Astrologie hat das keine Bedeutung. Deren Rechengrundlage sind ja nicht die Sternbilder am Himmel („siderischer Tierkreis“), sondern der Tierkreis, der sich aus der künstlich erfolgten Gliederung des Jahres in zwölf Segmente ergab und sich ausschließlich an den Jahreszeiten orientiert („tropischer Tierkreis“).
Das astrologische Jahr beginnt immer mit dem Zeichen Widder zur Frühlings-Tag- und Nacht-Gleiche – egal in welchem „echten Sternbild“ sich der Frühlingspunkt gerade befindet. Der Start in den Sommer und das Tierkreiszeichen Krebs hängen nur vom Zeitpunkt der Sommersonnenwende ab, der Herbstbeginn samt der Waage von der Herbst-Tag- und Nacht-Gleiche und der Winter sowie Steinbock vom Datum der längsten Nacht des Jahres.
Trotzdem gähnt regelmäßig von den Titelseiten der Zeitungen und Zeitschriften die Schlagzeile: „Schocknachricht! Alle Horoskope falsch?“Dazu melden sich dann jeweils Experten zu Wort, die ganz aufgeregt verkünden, dass die Astrologen die Jahrtausende verschlafen hätten und nun z.B. aus Widdern Fische und aus Steinböcken Schützen geworden seien. Dabei wurden von den Sternbildern nur die Namen übernommen – nichts weiter
Für die Berechnung von Horoskopen ist es absolut egal, ob die Aufbruchsenergie am Frühlingsbeginn nun „Widder“, „Eins“, „Chilischote“ oder sonstwie heißt. Aber die Namen der Tierkreiszeichen haben sich durch ihre lange Tradition so fest eingebürgert, dass es bisher nicht gelang, andere Bezeichnungen durchzusetzen (die Bezeichnung „September“ wird ja auch weiterhin verwendet, obwohl wir genau wissen, dass es sich dabei nach unserer Rechnung nicht um den siebten, sondern den neunten Monat handelt).
Darum müssen die Astrologen ihre Erklärungen, dass sie sich keineswegs an echten Sternbildern am Himmel orientieren, sondern nur an der künstlich geschaffenen Einteilung der Ekliptik, sicher noch weitere 23.650 Jahre herunterleiern. Erst dann hat die Erde eine vollständige Kreiselbewegung vollendet, sodass Tierkreis und Sternbilder wieder ungefähr übereinstimmen.